von Christiane Ordemann
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20. Oktober 2020
Europäischer Gerichtshof (EuGH v. 06.11.2018, C-684/16 und C-619/16) und Bundesarbeitsgericht (BAGv. 19.02.2019, 9 AZR 423/16) haben in ihren Entscheidungen zum Verfall von Urlaubsansprüchen klargestellt, dass der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers nur dann erlischt, wenn der Arbeitgeber seinerseits mitgewirkt hat, indem er den Arbeitnehmer auf seinen Urlaubsanspruch und die Möglichkeit des Verfalls hingewiesen hat und der Arbeitnehmer dennoch den Urlaub nicht aus freien Stücken nimmt. Was bedeutet dies für den Arbeitgeber? Gesetzliche Vorgaben gibt es dazu nicht. Aus der Rechtsprechung ist zu schließen, dass der Arbeitgeber durch geeignete Mittel den Arbeitnehmer in die Lage versetzen muss, frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt. Dies bedeutet, dass er dem Arbeitnehmer konkret, am besten schriftlich, zumindest in Textform, und zu Beginn des Kalenderjahres mitteilt, wie viele Arbeitstage dem Arbeitnehmer in dem bestimmten Jahr zustehen. Dazu gehört auch die Angabe des Resturlaubs aus den Vorjahren (siehe LAG Köln, 9. April 2019,4 Sa 242/18). Der Arbeitgeber muss den Mitarbeiter auffordern, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er noch im laufenden Kalenderjahr genommen werden kann. Außerdem muss er den Arbeitnehmer über die Konsequenzen belehren, nämlich dass der Urlaub am Ende des Kalenderjahres, spätestens jedoch nach Ende des Übertragungszeitraums von drei Monaten verfällt, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, Urlaub zu nehmen, ihn aber nicht beantragt hat. Diese Angaben abstrakt im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Betriebsvereinbarung zu machen, genügt den Anforderungen der Rechtsprechung nicht. Im Hinblick auf die Übertragung nicht genommenen Urlaubes in das nächste Kalenderjahr, muss erneut über den Verfall des Urlaubs am Ende des Übertragungszeitraums hingewiesen werden. Ein solcher Hinweis sollte rechtzeitig vor Jahresende erfolgen. Die Hinweispflicht besteht auch in einem laufenden Kündigungsschutzverfahren. Unterbleibt ein solcher Hinweis, wird der Urlaub uneingeschränkt das Folgejahr übertragen. Ob dadurch ein zeitlich unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen möglich ist, hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 22. Oktober 2019, 9 AZR 98/19, offengelassen. Nicht geklärt ist, ob bei einer Langzeiterkrankung der Urlaubsanspruch auch dann nach 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres verfällt, wenn der Arbeitgeber zuvor seine Mitwirkungsobliegenheit nicht erfüllt hat. Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht mit Vorlagebeschluss vom 07.07.2020, 9 AZR 401/19 (A) dem europäischen Gerichtshof gestellt. Die Antwort ist offen. Das Urlaubsrecht bleibt also nach wie vor spannend. Bremen im Oktober 2020 Rechtsanwältin Christiane Ordemann